TSBD

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Texas School Book Depository (TSBD, 411 Elm Street, Dallas,TX. 75202) war der offizielle Name jenes Gebäudes, von welchem aus laut Warren-Kommission Lee Harvey Oswald seine Schüsse auf Präsident Kennedy abgegeben haben soll. Und auch, wenn die "School Book Depository" hier schon lange nicht mehr residiert, so bleibt der Name doch untrennbar mit diesem Gebäude verbunden.

Das Grundstück war einmal im Besitz von John Neely Bryan, dem Gründer der Stadt Dallas. 1849 verkaufte er es an George1 und Mary Braird1, die hier neben einem eigenen Wohnhaus auch ein Areal für ihre Sklaven einrichteten. Nach ihrem Weggang aus Dallas entstand nun zunächst eine Pension und der französisch-stämmige Siedler Maxime Guillot eröffnete hier 1852 ein Kutschenbau-Unternehmen. An seinem Grundstück pflanzte er eine Reihe von "Elm"-Bäumen, welche der anliegenden Straße später den Namen "Elm Street" einbrachten. 1882 wurden schließlich die meisten Gebäude und Zäune für den Ausbau der Eisenbahnlinie abgerissen. Im Jahr 1894 wurde das Land von Phil L. Mitchell1, Präsident und Direktor der "Rock Island Plow Company of Illinois" (einem Ausstatter für landwirtschaftliche Betriebe), für 9.000$ gekauft. Für ihre Niederlassung in Texas ließen sie hier vier Jahre später ein entsprechendes Bürogebäude errichten, welches jedoch durch ein Großfeuer am 04. Mai 1901 völlig zerstört wurde. Noch im selben Jahr wurden bereits die Maßnahmen zum Wiederaufbau unter der Leitung des Vizepräsidenten des Unternehmens F.B. Jones1 eingeleitet. 1903 konnte der im kommerziellen neuromanischen Stil erbaute und um zwei Stockwerke erweiterte Komplex wieder bezogen werden. 1937 wurde das Anwesen von der "Carraway Byrd Corporation" aufgekauft, die jedoch kurze Zeit später ihren Darlehensverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Im Rahmen einer öffentlichen Versteigerung viel es schließlich am 04. Juli 1939 an David Harold Byrd, einem texanischen Öl-Baron. Dieser vermietete die Räumlichkeiten an eine Vielzahl verschiedener Unternehmen, u.a. eben auch ab 1963 an die TSBD.

An dieser Stelle schließt sich eine interessante Anekdote an: Colonel David Harold Byrd war u.a. Mitbegründer der "Civil Air Patrol", einem zivilen Luftfahrtunternehmen, welches inzwischen der "United States Air Force" unterstellt ist. Er unterstützte weiterhin seinen Cousin, den Arktis-Forscher Admiral Richard E. Byrd. Dessen dreimotoriges Flugzeug aus dem Hause Ford ist heute ein Ausstellungsstück im "Henry Ford Museum" in Dearborn, Michigan und steht somit nur wenige Meter neben jenem Ford Lincoln Continental, in dem Präsident Kennedy durch Dallas fuhr.

In den 1940er Jahren war das Gebäude zunächst als "Sexton-Building" bekannt. Die Firma "John Sexton Cooperation", dessen Name in großen Buchstaben in Höhe des sechsten Stockwerkes prangte, war ein Lebensmittel-Großhändler und eröffnete hier seine erste Niederlassung in Dallas am 01. Januar 1941. So tauchte dieser Begriff auch in einigen späteren Polizeiberichten im Zusammenhang mit dem Kennedy-Attentat auf, obwohl die Firma Sexton das Gebäude bereits im November 1961 zu Gunsten einer modernen einstöckigen Fabrik verlassen hatte.

Ab 1963 war dann der Schriftzug der "Texas School Book Depository" direkt über dem Haupteingang an der zur Dealey Plaza gewandten Gebäudeseite zu lesen. 


Inzwischen war das Gebäudeinnere stark renoviert und den Bedürfnissen eines Lagerhauses entsprechend angepasst worden. Die TSBD kam von hier aus den Buchbestellungen von Schulen im ganzen Südwesten der USA nach und beanspruchte allein für die Lagerhaltung fünf der sieben Etagen sowie den Kellerbereich. Dazu benötigten sie 33 Angestellte, von denen vier noch in den alten Räumlichkeiten wenige Blocks weiter nördlich blieben. Dort gab es auch noch einen Mitarbeiter-Parkplatz, welcher von den meisten Angestellten benutzt wurde. An dieser Stelle setzte Buell Wesley Frazier seinen Arbeitskollegen Lee Harvey Oswald am Morgen des 22. November 1963 ab, welcher an diesem Tag eine längliche braune Papiertüte mit sich führte.

Kurz nach dem Einzug der TSBD wurde festgestellt, dass einige von der Firma Sexton noch in den oberen Etagen gelagerten Waren Öl verloren, welches die Schulbücher zu verunreinigen drohte. Aus diesem Grunde ordnete der Lagerhaus-Manager Roy S. Truly die Einbindung von Sperrholzplatten zur leichteren Umlagerung der Kartonagen an. Zum Zeitpunkt des Präsidentenbesuchs waren diese Arbeiten noch im vollen Gange und es herrschte daher eine gewisse Unordnung, welche dem vermeintlichen Attentäter zu Gute kam. Mit genau diesen Arbeiten war u.a. der Gelegenheitsarbeiter Charles Douglas Givens am 22.11.1963 beschäftigt. Er war an jenem Tag gegen 11:55 Uhr die letzte Person, die den mutmaßlichen Schützen Lee Harvey Oswald vor den Schüssen im fünften Stock gesehen hat. Nach dem Attentat wurden diese Arbeiten beendet. 25 Jahre später, bei den Maßnahmen zur Einrichtung des "Sixth-Floor-Museums", wurden besagte Sperrholzplatten wieder entfernt und darunter war der Boden aus der Zeit des Attentats erhalten. Hier fanden sich sogar die Markierungen der Polizei von Dallas wieder, welche für den originalgetreuen Rekonstruktionsaufbau der Kartonagen sehr hilfreich waren.

Am jenem 22. November 1963 rückte das Gebäude dann in den Mittelpunkt des Weltgeschehens, als die Fahrzeugkolonne von Präsident Kennedy das Gebäude passierte. Damals befand sich auf dem Dach des Lagerhauses eine riesige Werbetafel der Autovermietung Hertz, der Schriftzug "Chevrolets" sowie eine digitale Uhr. Diese zeigte genau 12:30 Uhr. Gerade, als der Wagen des Präsidenten sich auf der Elm Street wieder in Richtung Dreifach-Unterführung entfernte, vielen mehrere Schüsse, durch welche der Präsident getötet, sowie der vor ihm sitzende Gouverneur von Texas Connelly und der Passant James Tague verletzt wurden. Laut Untersuchungsbericht der Warren-Kommission handelte es sich um drei Schüsse, welche aus dem Eckfenster des fünften Stockwerks (nach amer. Bezeichnung das sechste Stockwerk) abgefeuert wurden. Als vermeintlicher Täter wurde der Lagerarbeiter der TSBD Lee Harvey Oswald ermittelt und später festgenommen. 



1970 verließ die TSBD das Gebäude und in weiten Teilen der Bevölkerung war es durch die Ereignisse von 1963 als Symbol der nationalen Schande verhasst. Das Bild des Lagerhauses ging um die ganze Welt und viele Stimmen in Dallas riefen dazu auf, es abzureißen. Der Eigentümer – immer noch Colonel Byrd – verkaufte es dann im Rahmen einer Auktion für 650.000$ an den aus Nashville stammenden Musik-Produzenten und Kennedy-Sammler Aubrey Mayhew. Dieser richtete im April 1972 im Erdgeschoß ein kleines Besucherzentrum ein und finanzierte diese Aktion durch den fiktiven Verkauf von 1$-Grundstückseinheiten an die Besucher. Durch ein kleines Feuer im Innern des Gebäudes, welches ein Brandstifter am 20. Juli 1972 legte, scheiterte schließlich das Konzept und Mayhew war überschuldet. Trotz des finanziellen Ruins behauptete er später, seine Aktion hätte das Gebäude vor dem Abriss bewahrt. Im Zuge der Zwangsvollstreckung kaufte schließlich Colonel Byrd am 01. August 1972 das Gebäude als einziger Bieter für den Preis von 471.958,77$ zurück.

In den 70er Jahren befand sich im "Dal-Tex-Building", gegenüber dem TSBD auf der anderen Seite der Houston Street, ein kleines und privat geführtes John F. Kennedy-Museum. Für 1.50$ Eintritt konnte der Besucher sich die Paradestrecke anhand eines Pappmache-Models ansehen und bekam dazu Erläuterungen von einem Erzähler. Weiterhin wurden Kennedy-Souvenirs aller Art angeboten. Auch heute noch findet man im Erdgeschoss einen zweiten Souvenir-Laden mit eingegliedertem Coffe-Shop des "Sixth-Floor-Museums" gegenüber.

Ab 1969 interessierte sich dann der damalige Leiter des Büros für Öffentlichkeitsarbeit des Dallas County Judson Shook für das Gebäude. Er hatte zu dieser Zeit sein Büro schräg gegenüber an der Dealey Plaza und konnte von seinem Fenster aus die vielen Touristen beobachten, welche neugierig das Haus betrachteten und fotografierten. Er kam zu der Überzeugung, dass ein dauerhafter Erhalt des Gebäudes sowie zumindest eine Teilnutzung als Museum für die Nachwelt wichtig seien. Schließlich unterbreitete er dem Dallas County sehr eindringlich den Vorschlag, das Gebäude käuflich zu erwerben. Shook hatte jedoch starke Gegner bis in die eigenen Reihen. Sie hielten das TSBD für ein Monument der Schande, welches ausschließlich an Oswald und nicht an Kennedy erinnere. Im Gegensatz zum Tatort der Lincoln-Ermordung, dem Ford's Theatre in Washington, hatte hier der Präsident ja keinen Fuß in das Gebäude gesetzt. Darüber hinaus mussten zur Sicherstellung der Finanzierung die Bundesregierung, der Landkreis und die Stadt Dallas in ein Boot gebracht werden. Auch galt es, die Anerkennung als denkmalgeschütztes Gebäude und nationales Wahrzeichen voranzutreiben. Schließlich wurde zusammen mit einem weiteren Gebäude an der Dealey Plaza ein Finanzierungspaket geschnürrt, von dem 400.000$ auf das TSBD entfielen. Dies war der Betrag, welcher von seinem damaligen Besitzer Colonel Byrd auch gefordert wurde. Später wurden dann Umbaumaßnahmen in Höhe von 2,4 Mio.$ durchgeführt, einige Abteilungen der Bezirksverwaltung sowie der Zivilsenat des Bezirksstaatsanwaltes einquartiert und das Gebäude in "Dallas County Administration Building" umbenannt. Auch der "Dallas County Commissioners Court" hat hier im Erdgeschoss einen Verhandlungssaal. Die Einweihung erfolgte am 29. März 1981. 

              
 
Das "Texas School Book Depository" auf zwei Bildern vor und nach den Umbaumaßnahmen. Augenscheinlich sind rechts die fehlenden Feuertreppen, die ausgetauschten Fenster im Erdgeschoss und der entfernte Schriftzug über dem Haupteingang. Der rote Pfeil zeigt die mutmaßliche Position des Schützen.
 
Um auch die Idee eines Museums umzusetzen, bedurfte es entsprechender Anpassungen wie z.B. weiterer Zugänge und Aufzüge. Auch sollte die Feuertreppe an der Fassade zur Houston Street entfernt und die Glasbausteine im Erdgeschoss durch normale Fenster ersetzt werden. Hierzu wurde 1983 eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um die benötigten 3.5 Mio. Dollar aufzutreiben. Nach Aufbringung der Summe konnten die Arbeiten zur Einrichtung der Ausstellung 1988 abgeschlossen und das "Sixth-Floor-Museum", welches sich über die oberen beiden zunächst leer gebliebenen Etagen erstreckt und von der "Dallas County Historical Foundation" als Non-Profit-Unternehmen geführt wird, schließlich am 20. Februar 1989 eröffnet werden.

Ein Exponat bestand aus einem Fenster, welches der frühere Besitzer Colonel Byrd nach eigenen Angaben rund sechs Wochen nach dem Attentat hatte ausbauen lassen. Dabei soll es sich um jenes Fenster gehandelt haben, aus dem Oswald die Schüsse auf den Präsidenten abgefeuert haben soll. Byrd bewahrte dieses bis zum seinem Tode im Jahre 1986 in seinem Haus auf und zeigte es immer wieder staunenden Besuchern. Sein Sohn Caruth verlieh es 1994 an das "Sixth Floor Museum", wo es die nächsten zwölf Jahre unter Glas ausgestellt wurde. 2007 entschied sich Caruth Byrd schließlich, das Fenster im Internetauktionshaus Ebay anzubieten, wo es im Februar zunächst von einem Niederländer für die Summe von 3.001.501$ im 188. Gebot ersteigert wurde. Dieser konnte die Summe jedoch nicht aufbringen und die Auktion wurde storniert. Bei einer erneuten Auktion im Oktober 2013 in New Hampshire erwies sich das Fenster jedoch als unverkäuflich und es gab keine Gebote. Inzwischen waren Zweifel an der Echtheit aufgekommen, da auch der zeitweilige Eigentümer des TSBD Aubrey Mayhew sich damit brüstete, das Fenster befände sich in seinem Besitz und vermutet wird, Byrd hätte das falsche Fenster ausbauen lassen.

Weiterhin befindet sich auch die bereits erwähnte Werbetafel der Hertz-Autovermietung samt Digitaluhr in der Lagerung des Museums, kann jedoch aufgrund seiner enormen Größe aktuell nicht ausgestellt werden. Es war 1978 in Folge struktureller Schäden abmontiert worden. Hingegen kann der Original-Schriftzug der "Texas School Book Depository", welcher direkt über dem Eingang an der Elm Street hing, im Museum besichtigt werden. Für die Dreharbeiten zu Oliver Stone's Film "JFK-Tatort Dallas" Ende der 80er Jahre sollten beide Schilder wieder zu sehen sein. Doch während man auf dem Dach das Original montierte, musste sich die Produktionsgesellschaft bei dem Schriftzug mit einer Nachbildung aus Holz begnügen, da das Museum diesen nicht mehr der Witterung aussetzen wollte.

Mit der Marker No. 6895 wurde das Gebäude 1981 von der "Texas Historical Commission" gekennzeichnet. Der Marker trägt die Inschrift:

"This site was originally owned by John Neely Bryan, the founder of Dallas. During the 1880s French native Maxime Guillot operated a wagon shop here. In 1894 the land was purchased by Phil L. Mitchell, president and director of the Rock Island Plow Company of Illinois. An office building for the firm's Texas division, known as the Southern Rock Island Plow Company, was completed here four years later. In 1901 the five-story structure was destroyed by fire. That same year, under supervision of the company vice president and general manager F. B. Jones, work was completed on this structure. Built to resemble the earlier edifice, it features characteristics of the commercial Romanesque Revival style. In 1937 the Carraway Byrd Corporation purchased the property. Later, under the direction of D. H. Byrd, the building was leased to a variety of businesses, including the Texas School Book Depository. On November 22, 1963, the building gained national notoriety when Lee Harvey Oswald allegedly shot and killed President John F. Kennedy from a sixth floor window as the presidential motorcade passed the site. Recorded Texas Historic Landmark - 1980"

Mit Datum 12. Oktober 1993 wurde die gesamte Dealey Plaza – und damit auch das Gebäude 411 Elm Street - vom "US National Park Service" unter der National Register Number 93001607 in das "National Historic Landmark Program" aufgenommen. Sie ist daher neben dem "Ford's Theatre" in Washington einer von zwei erhaltenen Tatorten eines Präsidentenmordes. ♦

(1 Für diese Person stehen noch keine weiteren Daten im Personenregister zur Verfügung)


Persönliche Homepage des
Kennedy-Sammlers

Peter W. Klages